Mikronährstoffe - Hype oder Notwendigkeit?

In den Medien wir das Thema Mikronährstoffe kontrovers „diskutiert“ (also entweder gehyped oder verteufelt). Eine fundierte Begründung für beide Sichtweisen erfordert ein gewisses Maß an Recherche. Ich verfolge den Ansatz „supplementieren, wenn notwendig“, aber was ist notwendig? und wieviel davon? Diese Seite beleuchtet das Thema von mehreren Seiten. Ich gebe keine Empfehlungen ab, ich stelle meinen persönlichen Ansatz vor.

Die mediale kontroverse

Zahlreiche Artikel stellen den Rückgang der Nährstoffgehalte in Gemüse und Obst dar – häufig ohne ausreichende Kontextualisierung. Hier einige Beispiele:

Symbolbild: CO₂-Wolke über Salat mit fallenden Linien – Klimawandel beeinflusst Nährstoffgehalt von Lebensmitteln

Nährstoffgehalt in Lebensmitteln sinkt – wegen Klimawandel?

Zitat: „Die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre treibt nicht nur die Temperaturen in die Höhe, sondern verringert auch den Nährstoffgehalt vieler Grundnahrungsmittel.“

Der Artikel greift eine durch Studien belegte Entwicklung auf, scheint aber eher das Thema „Klimawandel“ im Fokus zu haben. Wie in dem Massenmedien üblich wird „Klimawandel“ leider immer gleich „menschengemachter Klimawandel“ gesetzt, was das (angebliche) Thema in einen völlig anderen Kontext setzt.

Illustration: Pflanze in durchschichtiger Erde mit Fragezeichen und wissenschaftlichem Symbol – symbolisiert Unsicherheit über Nährstoffgehalt der Böden

Sind unsere Böden und Pflanzen arm an Nährstoffen?

Zitat: „Der Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen in Gemüse und Obst schwankt, denn er ist ist von vielen Einflußfaktoren abhängig.“

Ich bin kein Sprachwissenschaftler, aber meiner Meinung nach handelt es sich bei diesem Satz um eine Platitüde. Nun gut. Die Verbraucherzentrale zieht aber in der weiteren Folge eine Studie aus dem Jahr 2004 (s.u.) heran, um zu folgender Aussage zu kommen:

Zitat: 
„Die Abweichungen im Nährstoffgehalt wurden von den Studienautoren als nicht relevant in Bezug auf die Gesundheit von Verbraucher:innen angesehen.“

🧾 Einordnung der Studie von Davis et al. (2004)

Die oft zitierte Studie von Davis, Epp und Riordan (2004) verglich Nährstoffdaten von 43 Gartenpflanzen aus den Jahren 1950 und 1999, basierend auf USDA-Daten. Dabei fanden die Autoren signifikante Rückgänge bei mehreren Mikronährstoffen – darunter Riboflavin (–38 %), Eisen (–15 %) und Calcium (–16 %).

🔍 Die Autoren betonen jedoch, dass diese Rückgänge mit methodischen Unsicherheiten behaftet sind: Unterschiedliche Sorten, veränderte Labormethoden, sowie der Einfluss von Erntezeitpunkt, Lagerung und Verarbeitung könnten die Ergebnisse beeinflussen. Deshalb raten sie zu Vorsicht bei der Interpretation.

🟢 Gleichzeitig betonen sie, dass Obst und Gemüse trotz möglicher Rückgänge weiterhin zu den nährstoffreichsten und gesundheitsförderndsten Lebensmitteln zählen – was durch zahlreiche Studien untermauert ist.

❗ Die häufig in Medien oder Verbrauchertexten wiederholte Aussage, die Rückgänge seien „nicht gesundheitsrelevant“, findet sich so nicht im Originaltext. Vielmehr wird betont, dass verarbeitete Produkte wie Weißmehl, Zucker und raffinierte Fette die Hauptverantwortlichen für eine mangelhafte Nährstoffversorgung darstellen – nicht der natürliche Rückgang einzelner Nährstoffe in Gemüse.


📎 Quellenhinweis:

Davis DR, Epp MD, Riordan HD.
Changes in USDA Food Composition Data for 43 Garden Crops, 1950 to 1999.
J Am Coll Nutr. 2004;23(6):669–682.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15637215

Bewertung

Anscheinend liegt der Fokus des Artikels der Verbraucherzentrale aber eher auf einer Verteufelung der Nahrungsergänzungsmittelhersteller – der Hinweis auf einen Paragraphen gegen irreführende und Angst machende Werbung wirkt auf mich wie eine Drohgebärde.

Mikronährstoffe supplementieren - ja oder nein?

Ich setze für das Thema meine gewohnte wissenschaftliche Brille auf.

Meine Meinung: Bevor ein Mangelangebot durch Supplementierung ausgeglichen werden muß, muß erst mal ein Mangel festgestellt werden.
Hier das vorläufige Ergebnis meiner Recherchen:

Selbst wenn man die ganz offiziellen Zahlen zugrunde legt, zeigt es sich, dass bei vielen Mikronährstoffen eine systematische Unterversorgung besteht – auf Basis repräsentativer Durchschnittswerte.

Diese Tabelle zeigt, wie gut verschiedene Bevölkerungsgruppen mit ausgewählten Mikronährstoffen versorgt sind – im Vergleich zu den offiziellen Referenzwerten nach D-A-CH (Deutschland, Österreich, Schweiz).

  • Bedarf (D-A-CH): Empfohlene tägliche Zufuhr laut Fachgesellschaften
  • Ø-Zufuhr: Durchschnittliche Aufnahme laut Ernährungserhebungen (z. B. NVS II)
  • Deckung: Prozentuale Abdeckung des Bedarfs – grün = ausreichend, orange = grenzwertig, rot = unzureichend

Quellen: Nationale Verzehrsstudie II (MRI), D-A-CH-Referenzwerte (DGE/ÖGE/SGE), ergänzende Literaturrecherche (2024).

📊 Datenbasis: Wie verlässlich sind die Zahlen?

  • Bedarf: basiert auf den offiziellen D-A-CH-Referenzwerten (DGE/ÖGE/SGE), die als präventivmedizinische Richtwerte gelten (nicht therapeutisch).

  • Zufuhr: stammt aus großen Ernährungserhebungen, z. B. der NVS II (für Erwachsene), EsKiMo (für Kinder) oder KiGGS (Jugendliche).

  • Deckung in %: berechnet aus (Ø-Zufuhr / Bedarf) × 100

📉 Was fällt auf?

  1. Vitamin D: durchgängig unter 40 % – ein systematisch kritischer Wert bei allen Gruppen.

  2. Folat/Folsäure: meist unter 80 %, bei Schwangeren dramatisch niedrig.

  3. Eisen: besonders bei Frauen (Regelblutung) und Schwangeren kritisch.

  4. Jod & Selen: häufig grenzwertig – vor allem in Mitteleuropa wegen Bodenarmut.

  5. Vitamin K, B6, Magnesium: häufig knapp unter Soll – aber oft nicht klinisch auffällig.

  6. Vitamin A, B2, B12, C, E, Zink, Kalzium: tendenziell „noch okay“, aber fast nie über 100 % gedeckt.

  7. Vitamin D, Eisen, Folsäure, Selen: in keiner Zielgruppe voll gedeckt.

🟡 Wichtiger Kontext:

  • „Bedarf“ ≠ Minimum fürs Überleben, sondern ein vorsorglicher Referenzwert.

  • Die Daten basieren auf Durchschnittszufuhr – individuell kann es stark abweichen.

  • Absorption ist ein weiterer Faktor: z. B. Eisenaufnahme wird stark beeinflusst durch Darmschleimhaut, Vitamin C, Antinährstoffe (Phytate) etc.

  • Bei manchen Nährstoffen wie Vitamin K ist die Messung der Zufuhr schwierig, da es auch durch Darmbakterien gebildet wird.

Fazit?

  • Die Tabelle zeigt keinen individuellen Mangel, aber:

  • Es besteht eine weitverbreitete Unterschreitung empfohlener Zufuhrmengen,

  • besonders Vitamin D, Eisen, Folsäure, Jod und Selen verdienen gezielte Aufmerksamkeit.

  • Eine Supplementierung ist zumindest bei bestimmten Gruppen (z. B. Schwangere, Ältere, Veganer) wissenschaftlich gut begründbar.

Supplementierung - Strukturierte Herangehensweise

Um das Thema strukturiert anzugehen, kategorisiere ich zunächst die Mikronährstoffe nach „Versorgungslage und Relevanz“. Nicht jeder Mikronährstoff muß betrachtet werden, weil nicht bei jedem überhaupt eine Mangelversorgung vorliegt. Nach der Kategorisierung konzentriere ich mich dann auf die „kritischen“ Mikronährstoffe. Eine Langzeitbetrachtung erfolgt dann nach folgendem Schema:

  • Bestandsaufnahme (Mikronährstoffanalyse)
  • den Empfehlungen folgen, sprich: bei Unterversorgung supplementieren, bei Überversorgung „Verursacher“ finden und eliminieren
  • nach 6 Monaten: erneute Bestandsaufnahme

Auf diese Weise erspare ich mir „unnötige“ Supplementierungen / Überversorgung, die auch auf den Geldbeutel schlägt. 
Die Mikronährstoffanalyse lasse ich im Turnus begleitend zu allen anderen Vorsorgeuntersuchungen machen.

🧠 Mikronährstoffe - Einteilung nach Versorgungslage & Relevanz

🟠 1. „Kritische Mikronährstoffe“

… solche, bei denen Versorgungsengpässe häufig auftreten oder die kontrovers diskutiert werden (z. B. „versteckte Mängel“ trotz vermeintlich gesunder Ernährung).

Typisch:

  • sind häufig unterversorgt (laut Studien wie NVS II, DEGS etc.)

  • hängen von Ernährungsstil, Absorption oder Darmgesundheit ab

  • zeigen funktionelle Defizite, bevor Laborwerte entgleisen

MikronährstoffBesonderheit / Risiko
Vitamin D3geringe Zufuhr, Sonne oft unzureichend
Vitamin B12tierisch, Resorption im Darm störanfällig
Folat (B9)bei schlechter Ernährung / Alkoholmangel
Jodunzureichende Jodsalz-Nutzung, kein Meerfisch
Eisenbesonders bei Frauen und Vegetariern kritisch
Magnesiumhoher Verbrauch, oft zu geringe Aufnahme
Omega-3 (EPA/DHA)Pflanzen-ALA reicht oft nicht aus
Selenstark abhängig vom Boden / Herkunft
Zinkbei Stress, Darmproblemen, veganer Kost

🟢 2. „Gut versorgbare Mikronährstoffe“

…sind bei abwechslungsreicher Ernährung meist ausreichend gedeckt, auch wenn Medien teilweise anderes suggerieren.

MikronährstoffBesonderheit
Vitamin Cin Obst/Gemüse meist ausreichend enthalten
Vitamin A (Retinol)tierisch gut verfügbar, pflanzlich als Beta-Carotin
Vitamin K1/K2bei intaktem Darm und fermentierter Kost okay
Vitamin B1, B2, B3in Vollkorn, Hülsenfrüchten, tierischer Kost
Kaliumsehr häufig in Gemüse/Obst vorhanden
Phosphorfast immer ausreichend
Calciumbei Milchprodukten okay – sonst evtl. kritisch

🧬 (Optional) 3. „Besondere Mikronährstoffe“

…haben keine klassischen Mangelsymptome, sind aber therapeutisch interessant (z. B. bei Entzündungen, Anti-Aging, Mitochondriopathie).

  • Coenzym Q10

  • L-Carnitin

  • Alpha-Liponsäure

  • Cholin

  • Taurin

  • Glutathion / Cystein

Kritische Mikronährstoffe / Laboranalysen / Empfehlungen

Die hier genannten Richtwerte gelten für gesunde Erwachsene. Bei Kindern, Schwangeren oder älteren Menschen können andere Referenzbereiche oder Eingreifschwellen gelten – sprechen Sie mich dazu gerne direkt an.

Bitte beachten: Die Angaben dienen zur Orientierung und ersetzen keine individuelle Beratung durch medizinisches Fachpersonal.

Mikronährstoff Laboranalysen wann eingreifen
Vitamin D3 25-OH-Vitamin D (Serum) Wert < 30 ng/ml oder Symptome (Infekte, Müdigkeit, Stimmung)
Vitamin B12 Holo-TC, Methylmalonsäure (Urintest), Homocystein Holo-TC < 40 pmol/l oder MMA erhöht, besonders bei veganer Ernährung
Folat (B9) Serum-Folat, Homocystein Folat < 4 ng/ml oder Homocystein > 10 µmol/l
Magnesium Vollblut-Magnesium (nicht Serum!) < 33 mg/l im Vollblut oder Muskelkrämpfe, Stress
Zink Vollblut-Zink < 5.8 mg/l im Vollblut oder Infektanfälligkeit, schlechte Wundheilung
Eisen Ferritin, Transferrinsättigung, CRP Ferritin < 30 ng/ml (bei normalem CRP); Anämiezeichen
Jod Jod im Morgenurin (kreatinin-korrigiert) < 100 µg/g Kreatinin; Schilddrüsenunterfunktion
Selen Vollblut-Selen < 100 µg/l im Vollblut oder Hashimoto, oxidativer Stress
Omega-3 (EPA/DHA) Omega-3-Index (Erythrozytenmembran) < 8 %; Entzündungen, Herz-Kreislauf-Risiken

Weiterführende Informationen zu einzelnen Mikronährstoffen

Besondere Mikronährstoffe / Laboranalysen / Empfehlungen

Neben den klassischen Vitaminen und Mineralstoffen gibt es eine Reihe von Mikronährstoffen, die insbesondere im
Zusammenhang mit oxidativem Stress, mitochondrialer Dysfunktion oder chronischer Belastung
diskutiert werden. Die folgende Übersicht zeigt gängige Laborparameter und Orientierungswerte, sofern verfügbar.

Bitte auch hier beachten: Die Angaben dienen zur Orientierung und ersetzen keine individuelle Beratung durch medizinisches Fachpersonal.

Besondere Mikronährstoffe – Laboranalysen & Empfehlungen

Mikronährstoff Laboranalysen Empfohlene Interpretation
Coenzym Q10 CoQ10 im Serum oder Plasma < 0,5 µg/ml → potenzieller Mangel bei Herz-/Muskelproblemen
L-Carnitin Gesamt- und freies Carnitin (Plasma) < 25 µmol/l freies Carnitin → kritisch bei Muskel-/Leberproblemen
Alpha-Liponsäure Wird selten direkt gemessen Supplementierung bei Diabetes, Neuropathien erwägenswert
Cholin Plasma-Cholin < 7 µmol/l → suboptimal für Leber-/Nervengesundheit
Taurin Plasma-Taurin < 40 µmol/l → kritisch bei Herzerkrankungen, Lebererkrankungen
Glutathion / Cystein GSH (reduziert), GSH/GSSG-Ratio GSH < 1,5 µmol/g Hb oder Ratio < 6 → eingeschränkte antioxidative Kapazität

Quellen: Fachliteratur zur mitochondrialen Medizin, Labordaten von Ganzimmun, Biovis, medivere, PubMed (2024).

📚 Weiterführende Studien